Wieso ist es ein strategischer Vorteil für ein Unternehmen, wenn es seine Energieeffizienz verbessert?


Richard Pasquier, Elektroingenieur und Professor an der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg, spricht über das Verbesserungspotenzial und den wirtschaftlichen Gewinn für Unternehmen, die ihren Energieverbrauch und ihre Energieproduktion als strategische Achse erkennen. Er erklärt uns, wie ein solcher Ansatz die Nachhaltigkeit garantieren kann.

Richard Pasquier

Der Energiemarkt heute
Der 2020 einsetzende Rückgang der globalen Ölproduktion in Verbindung mit einer daraus folgenden Erhöhung der Preise für dessen Förderung, der Krieg in der Ukraine und ein schrittweiser Ausstieg aus Heizöl und Treibstoffen zugunsten der Elektrizität setzen den europäischen Strommarkt unter Druck. Investitionen für die Erhöhung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien lassen auf sich warten und geraten ins Stocken. Tatsächlich ist es so, dass die letzten nennenswerten Investitionen in die Stromproduktion aus den 60er Jahren stammen – abgesehen von jenen, die private Investoren in die Sonnenenergie gesteckt haben. Wenn man dann noch die Trockenperioden und Hitzetage, die sich auf unsere Stauseen auswirken, den alternden Bestand an Kernkraftwerken mit einem immer aufwändigeren Unterhalt und zahlreichen Ausfällen (gegenwärtig stehen 50 Prozent der französischen AKW still) und den Unterbruch der Gasversorgung Deutschlands aus Russland hinzurechnet (Deutschland produzierte 40 Prozent seines Stroms mithilfe von Gas), ergibt das eine europäische Produktion, die bei Einbruch des Winters am Boden liegt.

Wir müssen künftig zwei Paradigmen in unsere Überlegungen miteinbeziehen:
• Gratisenergie: Damit ist Schluss!
• Energie darf nicht mehr als unbeschränkt verfügbar betrachtet werden!

Stand der Dinge in Industriebetrieben
30 Jahre Wirtschaftsboom haben Organisationsstrukturen hinterlassen, die heute überdacht werden müssen. Unsere Produktionssysteme sind überdimensioniert und laufen Tag und Nacht auf Hochtouren. Die gute Neuigkeit: Diese Verschwendung bietet ein beträchtliches Verbesserungs- und Einsparpotenzial.

Die Energiefrage wird zu einem ausgesprochen strategischen Faktor und für einige Unternehmen zur Gefahr
Der Preis, der zu bezahlen ist!
Die erste Auswirkung, welche die Unternehmen zu spüren bekommen, ist der Anstieg der Energiepreise. Von einem Preis auf dem freien Markt, der bis 2021 gewöhnlich bei 5 Rappen pro Kilowattstunde lag, sind wir inzwischen in Europa im Mittel bei 40 bis 50 Rappen pro Kilowattstunde angelangt, mit Ausreissern bis zu 3 Franken. Die Preise werden nicht wieder sinken. Sie werden immer volatiler werden, je nach Tages-, Wochen- und Jahreszeit.

Die Verfügbarkeit: anpassen oder einschränken?
Die Preisschwankungen sind eine Reaktion auf eine nicht mehr aufeinander abgestimmte Fluktuation von Nachfrage und Energieproduktion. Es wird deshalb entscheidend sein, agiler zu werden und jene Komponenten, die bei der Herstellung viel Energie verbrauchen, in jenen Zeiten zu produzieren, in denen genügend Energie zur Verfügung steht und dadurch auch billiger ist. Es müssen Lagerbestände angelegt werden, um Energiemangellagen zu überbrücken. Ein Unternehmen, das nicht dazu in der Lage ist, seinen Energieverbrauch zu beherrschen und anzupassen, wird seine Gewinne dahinschmelzen sehen, und für bestimmte Branchen kann das fatal sein. Unternehmen sollten zudem in Zeiten, in denen der Strommarkt angespannt ist, dazu in der Lage sein, ihren Energieverbrauch zu  reduzieren und dabei die Produktion so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.

Vorgeschlagene Methode Kompetenztransfer:
Der Akteur sind Sie!  Im Industriemanagement heisst es: «Am besten weiss es derjenige, der es macht.» Erwarten Sie also keine pfannenfertigen Lösungen von einem externen Berater, um die nötigen Anpassungen vorzunehmen. Die besten Ideen werden Ihre Mitarbeitenden liefern. Sie kennen die Maschinen und Systeme am besten und bedienen diese Tag für Tag. Die Herausforderung besteht darin, es ihnen zu ermöglichen, den Energieverbrauch jeder einzelnen Maschine zu messen, zu bewerten und zu verstehen. Die Frage, die sich stellt, lautet: «Welches ist der Teil der verbrauchten Energie, der nicht direkt dazu dient, meinem Kunden einen Mehrwert zu verschaffen?» Ist dieser unnötige Verbrauch, oder positiver formuliert, dieses Einsparpotenzial identifiziert, kann es beziffert und bewertet werden, und es können Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden. Die Energieeffizienz muss im Prozess der stetigen Verbesserung berücksichtigt werden, und zwar im selben Ausmass wie Fragen der Qualität und der Produktivität.

Beteiligen: Ihr Team vor Ort miteinbeziehen
Ziel ist es, den Mitarbeitenden die Kompetenzen in Bezug auf Energie zu vermitteln. Zu diesem Zweck werden passende Werkzeuge zur Verfügung gestellt, die an das unterschiedliche Wissen und Können, das für jede Rolle vorgesehen ist, angepasst sind. Nach einer Sensibilisierung kann das Team zum Akteur der Aufgabe werden und die neuen Kompetenzen dafür einsetzen, die gesamte Produktion zu optimieren.

Beziffern: qualifizieren und quantifizieren
Entscheidend ist, die Gewinne zu beziffern. Eine Energieeffizienz-Aktion (EEA) muss vorher und nachher bewertet werden. Diese doppelte Messung ermöglicht es, den Gewinn auf Faktenbasis sicher zu beziffern. Die EEA-Bewertung kann auch als Argumentation dienen für den Aufwand, der im Hinblick auf das Engagement für die Reduktion des Konsums im Programm «Grossverbraucher» betrieben wird.

Gewinn und Vorteile eines derartigen Vorgehens
Die Gewinne werden vorab mit Einsparungen erzielt. Es liegt auf der Hand, einfache Lösungen umzusetzen wie etwa das Ausschalten im Stand-by-Modus, mit dem pro Jahr und Maschine mehrere tausend Franken eingespart werden können. Wenn die Ressource «Energie» knapp und wertvoll wird, verschwendet niemand gerne. Die Energieoptimierungen, die sich mit den verschiedenen Massnahmen und Analysen erreichen lassen, sind ein echtes neues Werkzeug für die Verbesserung der industriellen Leistung im weiteren Sinn. Die Auswirkungen sind mannigfaltig: Energieeinsparung, Einsparung von Verbrauchsmaterial, Verringerung der Abnützung der Maschinen, besseres Beherrschen und erhöhte Stabilität des Prozesses, Motivation der Mitarbeitenden. Die Konsolidierung der qualifizierten Messdaten ermöglicht es, die Energieverteilung pro Prozess zu beherrschen, sogar die graue Energie des Endprodukts kann berechnet werden. Im Falle einer Energiekontingentierung sind das im Hinblick auf eine allfällige zeitweise Reduktion des Konsums, die möglichst wenig Auswirkungen auf die Produktion haben soll, ausgesprochen wichtige Daten. Die Stärkung der Resilienz gegenüber volatilen Märkten bietet unbestreitbar einen Konkurrenzvorteil. Diese Agilität und das kluge Verwalten des Konsums und des Eigenkonsums sind deshalb ein strategisches Werkzeug, das für den Fortbestand des Unternehmens unabdingbar ist.

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